Die zuvor besprochene Energiedosis macht nur Angaben darüber, welche Energiemenge von einer Strahlung an ein Material übertragen wird – doch wie wirkt die Strahlung im menschlichen Körper?
Antwort: Je nachdem. Ein wichtiges Maß ist hierbei der Energieübertrag durch Strahlung pro Wegstrecke im Körper. Bei der Alphastrahlung (Heliumkerne) ist dieser Energieübertrag pro Mikrometer deutlich größer als bei Beta- oder Gammastrahlung. Bei Alphateilchen ballt sich der biologische Schaden auf engem Raum und addiert sich so auf, während die Schäden bei Betastrahlen weiter gestreut werden. Daher können sie durch zelleigene Reparaturmechanismen beseitigt werden.
Unterschiedliche Organe, unterschiedliche Schäden
Grundsätzlich ionisiert die Strahlung in den Zellen direkt oder indirekt Atome und Moleküle und erzeugt dabei chemisch aggressive Zellgifte, die unter anderem die Funktion der Erbsubstanz verändern können.
Es macht aber einen Unterschied, welches Organ bestrahlt wird. Die Haut, die ohnehin ständig von der UV-Strahlung der Sonne getroffen und laufend repariert und abgestoßen wird, wird zum Beispiel mit Strahlenschäden viel besser fertig als die Lunge. Und schließlich ist noch wichtig, wie lange man der Strahlung ausgesetzt ist.
Wichtungsfaktoren
Um in Formeln zu fassen, wie gefährlich eine bestimmte Strahlung ist, und welche Strahlenempfindlichkeiten verschiedene Organe und Gewebe haben, wurden von der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) 1991 so genannte „Wichtungsfaktoren” eingeführt, und zwar jeweils für unterschiedliche Strahlungsarten - "Strahlungs-Wichtungsfaktoren" - und verschiedene biologische Gewebe - "Gewebe-Wichtungsfaktoren".
Die Idee ist einfach: Um zu bestimmen, wie stark Strahlung X beim Einfall auf Organ Y wirkt, multipliziert man die Energiedosis der Strahlung einfach mit dem Strahlungs-Wichtungsfaktor für Strahlung X und dann mit dem Gewebe-Wichtungsfaktor für Organ Y - fertig. Die so gewichteten Energiedosen kann man nun vergleichen, um die Gefährdung abzuschätzen. Als Namen für die Einheit der Organdosis verwendet man Sievert (Sv), zur Erinnerung an den schwedischen Physiker und Mediziner Rolf Sievert (1896 - 1966). Da eine Dosis von 1 Sievert bereits eine große Gefährdung bedeutet, werden im Strahlenschutz die Dosiswerte häufig im Millisievert angegeben.
Mit folgenden Strahlungs-Wichtungsfaktoren (Einheit Sv/Gy) kann man die Organdosis HT(Dosis, die in den Organen wirkt) aus der Energiedosis D berechnen.
Strahlenart und Energiebereich |
Strahlungs-Wichtungsfaktor wR |
Photonen, alle Energien |
1
|
Elektronen, Myonen,
alle Energien |
1
|
Neutronen:
10 keV bis 100 keV
/> 100 keV bis 2 MeV
/> 2 MeV bis 20 MeV
/> 20 MeV |
5
10
20
10
5
|
Protonen, außer Rückstoßprotonen,
Energie > 2 MeV |
5
|
Alphateilchen, Spaltfragmente,
schwere Kerne |
20
|
Die Formel dazu lautet:

Und was ist, wenn mehrere Strahlungsarten beteiligt sind? Dann addiert man die Produkte aus den jeweiligen Energiedosen und Wichtungsfaktoren einfach auf:

Die effective Dosis
Jetzt geht's in den Körper: Die folgende Tabelle listet auf, wie groß die (einheitenlosen) Gewebe-Wichtungsfaktoren für die einzelnen Gewebe bzw. Organe sind. Mit ihnen berechnet man die effektive Dosis (Dosis, die effektiv die Strahlenwirkung auf den Gesamtkörper erfasst), indem man sie einfach mit der Organdosis multipliziert. Die Formel hierzu lautet:

Gewebe oder Organe |
Gewebe-Wichtungsfaktoren wT |
Gonaden |
0,20
|
Dickdarm |
0,12
|
Knochenmark (rot) |
0,12
|
Lunge |
0,12
|
Magen |
0,12
|
Blase |
0,05
|
Brust |
0,05
|
Leber |
0,05
|
Schilddrüse |
0,05
|
Speiseröhre |
0,05
|
Haut |
0,01
|
Knochenoberfläche |
0,01
|
andere Organe oder Gewebe* |
0,05
|
* Für Berechnungszwecke setzen sich "andere Organe oder Gewebe" wie folgt zusammen: Bauchspeicheldrüse, Dünndarm, Gebärmutter, Gehirn, Milz, Muskel, Nebennieren, Niere und Thymusdrüse. In den außergewöhnlichen Fällen, in denen ein einziges dieser anderen Organe oder Gewebe eine Äquivalentdosis erhält, die über der höchsten Dosis eines der 12 Organe liegt, für die ein Wichtungsfaktor angegeben ist, sollte ein Wichtungsfaktor von 0,025 für dieses Organ oder Gewebe und ein Wichtungsfaktor von 0,025 für die mittlere Organdosis der restlichen "anderen Organe oder Gewebe" gesetzt werden.
Stunden oder jahre später… Die Folgedosis
Wenn man radioaktive Stoffe in den Körper aufnimmt - zum Beispiel, weil man von einem Keramikteller mit Uran-Glasur winzige Spuren der Glasur isst –, dann endet die Bestrahlung nicht sofort, sondern dauert eine gewisse Zeit an, zum Beispiel, weil ein Teil der radioaktiven Stoffe eine Zeitlang im Körper verbleibt. Dabei ist klar: Je länger die Bestrahlung andauert, desto mehr Schäden können entstehen.
Um nun die gesamte Dosis im bestrahlten Organ - die sogenannte Organ-Folgedosis - zu berechnen, muss man berücksichtigen, dass die Dosisleistung im Organ zeitabhängig ist, da ja der radioaktive Stoff aus dem Körper auch wieder ausgeschieden wird. Als Formel sieht das so aus:
Als Formel sieht das so aus:
